Gerhard Fischer (geboren in Wien) ist ein vielseitiger Künstler und Gelehrter aus Wien. Sein Schaffen umfasst Malerei, Zeichnung, Fotografie, Ausstellungs- und Filmgestaltung.
Fischer wurde in Wien geboren und entwickelte schon in jungen Jahren eine Leidenschaft für Malerei , Musik und die Vielfalt der Weltkulturen und später auch für die französische Philosophie und Kunst des Daoismus. Er verbrachte viel Zeit in Paris, der Stadt, die er als Zentrum seiner künstlerischen und philosophischen Leidenschaften ansieht. Als Student am Max Reinhardt Seminar war er besonders von den Inszenierungen von Klaus Michael Grüber beeindruckt.Das Studium der Ethnologie und Kunstgeschichte an der Universität Wien war inspirierend.
Fischer arbeitete von 1979 bis 1983 als Schauspieler, Regieassistent, Autor und Regisseur am Wiener Burgtheater. In den Jahren 1982 bis 1999 unterrichtete er Regie, Bühnenbild und Kostümkunde an der Universität für angewandte Kunst (Klasse Erich Wonder) und war Lektor für Ästhetik an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Zudem war er Gastprofessor für Mozarts Zauberflöte an der Universität Mozarteum in Salzburg.
Fischers künstlerisches und akademisches Schaffen wurde stark von der Arbeit und dem Denken des französischen Philosophen Michel Foucault beeinflusst. Nach dessen Tod im Herbst 1984 begann Fischer, eine langjährige Freundschaft mit dem Foucault-Kreis in Paris und Wien zu pflegen.
1984 gründete Fischer das multidisziplinäre Kunstforum Daedalus, das er bis heute nicht nur leitet, sondern dessen Motor und Vordenker er auch ist. Unter dem Namen Daedalus hat er seit 1984 achtundvierzig Ausstellungen in Wiener Museen, Bibliotheken und Galerien sowie im städtischen Raum konzipiert und realisiert. [1]
Mit den Daedalus-Ausstellungen erfolgte in Wien eine neue essayistische Kunstgeschichteregie, die im öffentlichen Schaustück der Ausstellung einzelne Bilder, einzelne Künstler oder auch ganze Epochen zur Entfaltung brachte und dabei die monografische Sicht mit einer verzweigten Universalgeschichte vermittelte. Dabei ging es nicht darum, die Kunst für jedermann erreichbar zu machen. Duchamp wollte die Kunst in die Gosse (den Bereich des Pöbels und der Kanaille, Schurken und Gesindel) bringen. Man könnte sagen, dass Daedalus einige seiner Gratwanderungen unter dieses Banner zu stellen vermochte.
Als Autor und Herausgeber hat Fischer zahlreiche Publikationen veröffentlicht, die sich mit einer Vielzahl von Themen aus Kunst, Musik und Philosophie befassen. [2] Er verfasste Werke zur griechischen und römischen Antike (u. a. zu Erotik und Tod in den Mythen von Dionysos und Orpheus), zur Kunst der klassischen Moderne (Modigliani, Giacometti, Artaud, Van Gogh) und Gegenwartskunst (beispielsweise zu Cy Twombly, Barnett Newman, Per Kirkeby und Friederike Mayröcker), zur französischen Philosophie (Foucault, Lacan, Virilio, Barthes), zur Geschichte Wiens und zur Musik der Klassik (Vivaldi, Mozart, Brahms, Schumann) sowie zur Zwölftonmusik (etwa zu Alban Berg und Anton Webern).
Sein bildnerisches und kinematografisches Werk, das mehrere hundert Gemälde und Zeichnungen( Sujet: Die Badenden), Fotografien und Fotomontagen zur Blüte des androgynen Körpers sowie 700 Stunden von ungeschnittenem Videomaterial umfasst (Video 8, Hi8, HDV und DV), ist bislang unveröffentlicht. [3]
Ab 2010 begann Fischer mit der Sichtung des ungeschnittenen Video-Materials, um daraus einen Videoessai mit dem Titel Schwan mit Sternenstaub zu entwickeln. Der Film, der im Frühjahr und Sommer 2023 in Wien und in Europa präsentiert werden wird, hat eine Gesamtlänge von 12 Stunden 55 Minuten 12 Sekunden. Die Editoren Anna Heuss, Stephan Settele, Arthur Summereder und Озябшая Душа haben die Montage vollzogen, die Typografie lag in Händen von Natalie Neumaier. Der Schwan Film ist gegliedert in 36 Kapitel, die im Videoessai eingekapselte Philosophie des Westens wird im Schlusskapitel (36. Kapitel) durchkreuzt von der Daoistischen Philosophie Chinas. Anhand der daoistischen Formel des Wu Wei (nicht handeln) lässt sich eine transreale Euphorie und eine antikapitalistische Intensität entwickeln.
Der betrachtender Blick des Künstlers auf das Modell ist ein lebenslang bevorzugtes Genre von Gerhard Fischer. Die gewählten männlichen Laien-Modelle sind von atemberaubender Anmut und Schönheit, sie sind Südländer, Asiaten, Mitteleuropäer. Schwan mit Sternenstaub ist ein eindruckvolles Beispiel eines nicht heteronormativen Kinos. Ein Kino, das mit Bildung, Können, Geschmack, mit Literatur, Musik und Malerei gesättigt ist: Ein Hauch Weltkino liegt vor. [4]
Gerhard Fischer hat umfangreiche Schenkungen an Wiener Museen und Bibliotheken gemacht. Im Jahr 2001 schenkte er dem Albertina Museum den Mnemosyne-Atlas von Aby Warburg, dessen Rekonstruktion durch Daedalus bereits 1993 stattfand. Dieser Atlas, der zwischen dem 25. Januar und dem 13. März 1993 in der Akademie der bildenden Künste in Wien ausgestellt wurde, umfasst 63 Bildtafeln mit unterschiedlich montierten Schwarz-Weiß-Fotografien, insgesamt 1180 Aufnahmen, die das »Nachleben der Antike« dokumentieren. 2007/2008 wurde der Mnemnosyne-Atlas im Studiensaal der Albertina unter Berücksichtigung des aktuellsten Forschungsstandes in asketischer Formgebung präsentiert, zahlreiche Buchobjekte und Fotografien zu Fritz Saxls Ausstellungen ergänzten die Schau. [5]
Eine weitere Schenkung ging an das Filmarchiv Austria: 13 16-mm-Filmrollen und drei Tonbänder, alle betitelt mit Die Blumen des Bösen. Die 16-mm-Filme, bei denen Manfred Oppermann die Kamera führte und Fischer selbst die Bildregie innehatte, dokumentieren die Aufstellung der Objekte der gleichnamigen Ausstellung, die 1993 im Österreichischen Volkskundemuseum , im barocken Prunksaal der Öst. Nationalbibliothek und in der Galerie Faber stattfand. [6]
Im Jahr 2001 und erneut im Jahr 2004 richtete Fischer das Archiv der Transmedialen Gesellschaft Daedalus in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek ein. Dieses umfangreiche Archiv enthält 93 Mappen mit Autographen, Cahiers, Typoskripten, Korrespondenz, Fotos, Ektachromen, Dias, Tonbändern und Materialien aus den Daedalus-Projekten von 1984 bis 2000. Insgesamt besteht das Archiv aus 44 Archivboxen und einer unbekannten Anzahl von Autographenboxen.
2020 wurde eine Schenkung von 37 Archivboxen, 3 Grossformatemappen an das Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek übermittelt. [7]
Das Daedalus-Archiv dient nicht nur der Dokumentation der regional und international beachteten Ausstellungen, Raum- und Urbaninstallationen in den Bereichen klassische Moderne, Gegenwartskunst, französische Philosophie, Kulturwissenschaft und Ethnologie, sondern bietet auch einen tiefgreifenden Einblick in die Denk- und Arbeitsweise von Gerhard Fischer, den die Frankfurter Allgemeine Zeitung als »magischen Spurensucher im Grenzbezirk von Wissenschaft und Kunst« bezeichnete.
Im Spätsommer 2023 wird Gerhard Fischer das Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft der Republik Österreich verliehen werden.
Publikationen von Gerhard Fischer und Daedalus worldcat.org
Ausgewählte bildnerische Werke in Michael Hansel: Maulbertsch | Fischer. In: Maulbertsch | Fischer. 22. Mai 2023, archiviert vom Maulbertsch | Fischer am 16. Mai 2023; abgerufen am 22. Mai 2023.
↑ 1) Günter Metken: Foucault’s Pendulum and the Giantess Mnemosyne in Daedalus Vienna Daedalus Wien, 2012.
↑ 2) Österreichische Nationalbibliothek Druckschriftensammlung Gerhard Fischer - Daedalus
↑ 3) Gerhard Fischer - Das Werkverzeichnis | archive.ph
↑ 4) Gerhard Fischer - Videoessai Schwan mit Sternenstaub
↑ 5) Gerhard Fischer - Es war einmal in Florenz Daedalus Wien, 2019 | PDF
↑ 6) Wienbibliothek Archiv der Transmedialen Gesellschaft Daedalus
↑ 7) Gerhard Fischer - Autographenschenkung an das Literaturarchiv der ÖNB